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Leben ohne Schule
Gedankensplitter
zum Leben ohne Schule
Es
ist wichtig, im
Hinterkopf zu behalten, dass das Leben ohne Schule der Schule nicht die
Existenzberechtigung entzieht, ebensowenig entzieht die Schule dem
Leben
ohne Schule die Existenzberechtigung. Es gibt viele Möglichkeiten,
wie
wir die Lernbedürfnisse von Kindern erfüllen können. Ich
vergleiche die
Suche nach dem richtigen Bildungsweg für ein Kind und eine Familie
gerne mit dem Einkauf in einem Schuhladen. Niemand würde erwarten,
dass
jedes Kind die gleiche Größe und die gleiche Sorte Schuhe
trägt. Füsse
sind so unterschiedlich. Die Bildungsbedürfnisse unserer Kinder
sind
ebenso individuell.
Aus: Marty Layne, Learning at home -
a mother's guide to homeschooling, S. 173
www.martylayne.com
Das
Problem bei den meisten Musiklehrern oder bei anderen Lehrern, ist,
dass sie
eine Vorstellung im Hinterkopf haben, die ungefähr so lautet:
"Lernen ist
das Resultat von Lehren. Alles Wichtige, was meine Schüler lernen,
lernen sie,
weil ich es ihnen beibringe." Das wird deutlich durch die Art, wie sie
unterrichten, oder wie sie über das Unterrichten sprechen, oder
wie sie –
normalerweise verärgert – reagieren, wenn man andeutet, dass ihre
Schüler das
meiste, was sie beigebracht bekommen, selbst herausfinden könnten.
Es reicht
ihnen nicht, ihren Schüler eine Hilfe und Unterstützung zu
sein; sie müssen das
Gefühl haben, dass ihre Schüler ohne sie nicht zurecht kommen.
All
meine Erfahrung als Lehrer und als Lernender hat mich vom Gegenteil
überzeugt:
Unterricht ist eine sehr starke Medizin, die – wie alle starken
Medikamente –
sich schnell in ein Gift verwandeln kann. Zur richtigen Zeit (z.B. wenn
ein
Schüler darum gebeten hat) und in sehr kleiner Dosierung kann es
das Lernen
unterstützen. Aber zu den falschen Zeiten, oder in zu großer
Dosierung, verlangsamt
es den Lernprozess oder verhindert ihn ganz. Die richtige Sorte Lehrer
kann dem
Lernenden eine große Hilfe sein… Die falsche Sorte kann schlimmer
sein als
keiner.
Aus:
John Holt, Never too late, S. 209/210
Die Schule bildet Kinder zu
Angestellten und Konsumenten aus; bildet ihr Eure Kinder zu
Führungspersönlichkeiten und Abenteurern aus. Die Schule
bringt Kindern bei,
reflexartig zu gehorchen; bringt ihr Euren Kindern bei, kritisch und
unabhängig
zu denken. Schulkinder sind schnell gelangweilt; helft ihr Euren
Kindern, eine
Innenwelt zu entwickeln, damit sie nie unter Langeweile zu leiden
haben. Haltet
sie an, sich mit ernsthaften Dingen zu beschäftigen, mit
Erwachsenen-Material,
in Geschichte, Literatur, Philosophie, Musik, Kunst, Wirtschaft,
Theologie –
all die Dinge, um die Lehrer an Schulen absichtlich einen Bogen machen.
Bietet Euren Kindern häufig die
Gelegenheit zur
Einsamkeit, damit sie lernen, gerne allein zu sein und innere Dialoge
zu
führen. Menschen, die die Schule durchlaufen haben, sind
konditioniert, die
Einsamkeit zu scheuen, und sie suchen ständig die Gesellschaft von
Fernsehen,
Computer, Handy oder in oberflächlichen Freundschaften, die
schnell geschlossen
werden, aber auch schnell wieder beendet sind.
Aus: John Taylor Gatto,
Against
School
www.spinninglobe.net/againstschool.htm
Während
unseres Aufenthaltes in Japan kam eines Tages unsere
fünfjährige Tochter mit
einer ungewöhnlichen schönen roten Rosenknospe ins Haus
gehüpft. „Sieh mal,
Mama“, rief sie glücklich. „Ich kann machen, dass sie blüht.“
Und sie konnte es
tatsächlich. Mit ihren winzigen Fingerchen zupfte sie auf
bemerkenswert
behutsame und ordentliche Weise Blütenblatt auf Blütenblatt
nach außen. Wir
warteten, bis sie ihre Rosenknospe „zum Blühen“ gebracht hatte.
Dann legten wir
eine andere Rose auf den Tisch, die auf natürliche Weise
erblüht war. Obwohl
unsere Tochter erst fünf Jahre zählte, sah sie sofort, dass
die Blütenblätter
ihrer Rose beschädigt und geknickt waren, wenn sie sie auch noch
so zart
angefasst hatte. Die andere Rose, die sich auf natürliche Weise
geöffnet hatte,
war vollkommen und schön.
Weder
von der Forschung noch vom gesunden Menschenverstand her scheint es
gerechtfertigt zu sein, die intellektuelle Entwicklung eines Kindes
gewaltsam
voranzutreiben. Dadurch, dass man etwas nur deshalb zur Eile antreibt,
weil es
schnell sein kann,
wird man es höchstens früher zum Zusammenbruch bringen. Dies
trifft für alle
Fälle zu, in denen wir die Natur zu beschleunigen versuchen, vor
allem aber für
die Entwicklung von Kindern. Kinder sollten sich so natürlich wie
eine Blume
"entfalten" können.
Aus: Dorothy Moore,
Besser später als zu früh, 1976
Eine
Mutter schreibt in der Zeitschrift "Growing without schooling":
Ungefähr
zehn Tage im Monat
gehe ich in der Stadt in einem Kopierladen arbeiten. Normalerweise
stehe ich
früh auf und verbringe eine oder zwei Stunden damit, in Ruhe
meinen Tag zu
planen, abhängig davon, was erledigt werden muss und worauf ich
Lust habe. An
meinen "Arbeitstagen" allerdings, habe ich Schwierigkeiten, in diesem
Modus
hineinzufinden. Ein so großer Anteil des Tages ist bereits
vorgeplant. Wenn ich
an mehreren aufeinander folgenden Tagen arbeiten gehe, fühle ich
mich spätestens
am vierten oder fünften Tag nicht mehr in meiner Mitte und komme
eher in die
Versuchung, Dinge zu tun, die ich sonst als unverantwortlich ansehen
würde. Ich
scheine weniger Energie zu haben, um mich zu regenerieren, Kräfte
zu sparen,
mich gut um meinen Mann und meine Kinder zu kümmern, etc. Wenn ich
die
Verantwortung für die Strukturierung meiner eigenen Zeit abgebe,
scheint
gleichzeitig eine gewisse moralische Stärke verloren zu gehen. Man
kann nur
Vermutungen anstellen, welchen Grad an Entfremdung von der eigenen
Person wir
als Gesellschaft in unseren Kindern hervorrufen, indem wir so viel von
ihrer
Zeit für sie verplanen. Ich komme langsam zu der Überzeugung,
dass den größten
Schaden nicht das "was"
oder das "wie"
dieses
Strukturierens verursacht, sondern einfach die Tatsache, dass wir an
fünf von
sieben Tagen, in neun von zwölf Monaten, sechs Stunden mitten am
Tag den
Kindern die Verantwortung für ihre Zeit entziehen. Vielleicht ist
nicht einmal
die Länge dieser Zeit ausschlaggebend, sondern die Tatsache, dass
der
Tagesablauf unterbrochen wird. Ich weiß aus eigener Erfahrung,
dass selbst eine
kurze Unterbrechung – z.B. ein Zahnarzttermin oder ein Treffen oder ein
Vortrag, den ich halten muss – den Strom meiner eigenen kreativen
Energie viel
länger unterbricht als die eigentliche Unterbrechung dauert. Nach
jedem Wechsel
vom aktiven in den passiven Modus, was die Planung meiner Zeit angeht,
tritt
bei mir eine Art Betäubung ein, so dass es viel einfacher ist
passiv zu
bleiben, "Zeit totzuschlagen" bis es Zeit ist für die nächste
geplante Aktivität, wie beispielsweise die Zubereitung des
Abendessens oder was
auch immer. Mir ist aufgefallen, dass wirkliche "Langeweile", wo sich
die Kinder beklagen, dass sie nicht wissen, was sie machen sollen, nur
an Tagen
auftritt, an denen eine bestimmte Zeit für sie im voraus verplant
wurde.
Aus: Growing Without
Schooling, Ausgabe 5, Juli 1978
Frage: Wie wechselt eine Famile mit unbeschulten Kindern eine
Glühbirne?
Antwort: Zuerst leihen sie sich drei Bücher über
Elektrizität aus der Bücherei aus. Dann basteln sie Modelle
von Glühbirnen, lesen eine Biographie von Thomas Edison und
spielen eine Szene aus seinem Leben nach. Danach studieren alle die
Geschichte der Beleuchtungsmethoden und ziehen schließlich ihre
eigenen Kerzen. Später fahren alle gemeinsam zum Laden, wo sie die
verschiedenen Typen von Glühbirnen sowie die Preise vergleichen,
und sie rechnen aus, wie viel Wechselgeld sie zurückbekommen
müssten, wenn sie zwei Glühbirnen mit einem 5£-Schein
bezahlen. Auf dem Rückweg entwickelt sich eine Diskussion
über die Geschichte des Geldes und über das Leben von
Wellington, weil er auf dem Schein abgebildet ist. Zum Schluss, nachdem
sie aus Zweigen, die sie aus dem Wald angeschleppt haben, eine
selbstgemachte Leiter gefertigt haben, wird die neue Glühbirne
eingeschraubt.
Aus: Stefanie Mohsennia, Schulfrei -
Lernen ohne Grenzen, S. 65
Zitiert nach: Roland Meighan,
Learning unlimited, S. 15
Können wir wirklich darauf vertrauen, dass Kinder
Sozialwissenschaften und Mathematik und Sprache und Erdkunde und die
unzähligen anderen Fächern lernen, von denen sie in jedem
Schuljahr ein wenig lernen sollen? Die Antwort lautet natürlich
"Ja", aber es ist ein etwas kompliziertes "Ja". Das unbeschulte Kind
wird nicht genau das gleiche Wissen erwerben, welches ein Altersgenosse
an einer konventionellen Schule in einem bestimmten Jahr erwirbt.
Ebenso wenig wird es das gleiche Wissen erwerben wie andere unbeschulte
Kinder. Aber über einen Zeitraum von mehreren Jahren lernen
unbeschulte Kinder tatsächlich mindestens genau so viel wie formal
ausgebildete Schüler und häufig überflügeln sie sie
in vielen Bereichen.
Was sie lernen, fällt jedoch nicht unbedingt in die Kategorien der
traditionellen Fächer. Eltern von unbeschulten Kinder, die
aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen in ihrem Bundesstaat das Lernen
ihrer Kinder dokumentieren müssen, verwenden ziemlich viel Zeit
und Einfallsreichtum darauf, die Aktivitäten ihrer Kinder in
Begriffe zu übersetzen, die in Berichten für Menschen mit
einem konventionelleren Verständnis von Bildung Sinn ergeben.
Nehmen wir als Beispiel ein Kind, das Brot backt und dabei lernt,
Anweisungen zu befolgen, Zutaten abzumessen, geeignete Werkzeuge und
Geräte zu benutzen, Brüche zu addieren und zu multiplizieren,
es lernt etwas über Hefe und Kohlendioxid, Getreide und Gluten und
Salz, Temperatureinstellungen und Zeitschaltuhren zu lesen, thermische
Konvektion und Wärmeleitung, und Teilen und Subtrahieren, wenn es
an der Zeit ist, das Brot zu essen. Ist das Hauswirtschaftslehre,
Lesen, Rechnen, Lernkompetenz, Biologie, Chemie, Ernährung oder
Physik? All diese Themen oder nur einige von ihnen? Dass sie nicht bei
jedem Schritt explizit identifiziert werden, macht das erworbene Wissen
und erlernten Fähigkeiten nicht weniger real.
Aus: Mary Griffith, The unschooling
handbook, S.14/15
alle Texte übersetzt von S.
Mohsennia
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